Was hat sich für Betriebe und
Privatpersonen mit Bankschulden
seit Jahresbeginn verändert?
Christian Vieider: Die neuen Regeln
der Europäischen Bankenaufsicht
wurden über die Banca D’Italia in
Italien eingeführt. Ab sofort wird
man auch in Südtirol schneller als
bisher zum „schlechten Schuldner“.
Die sogenannte Erheblichkeitsschwelle
wurde von 5 auf 1 Prozent
deutlich herabgesenkt. Das bedeutet,
dass jemand, der mit einem
Prozent seiner Gesamtschulden
bei der Bank in Zahlungsrückstand
gerät oder seine Kreditlinie um
einen Prozentpunkt überzieht, automatisch
als Ausfall eingestuft wird.
Der geschuldete
Gesamtwert muss
bei Privatpersonen über 100 Euro
liegen, bei Betrieben über 500 Euro.
Was heißt das für den Schuldner
oder die Schuldnerin?
Christian Vieider: Es bleibt bei den
bisherigen 90 zulässigen Überziehungstagen.
Doch die Methode der
Berechnung hat sich verändert. Bis
Jahresende 2020 wurde der durchschnittliche
Wert von 90 Tagen
herangezogen oder der Überziehungswert
an einem bestimmten
Stichtag wie zum Beispiel am
Monatsende festgestellt. Jetzt ist
es so, dass ein Kunde bei Nichteinhaltung
der Kriterien
an 90 aufeinanderfolgenden
Tagen als Ausfall
bewertet werden muss. Es ist dann
auch nicht mehr möglich, andere
Positionen wie nicht ausgeschöpfte
Kreditlinien mit den ausständigen
Zahlungen zu verrechnen.
Was passiert in diesem Fall?
Christian Vieider: Der Kunde oder
die Kundin wird an die Risikozentrale
der Banca D’Italia und an weitere
Datenbanken gemeldet, verliert
den Status als „guter Schuldner“
(in Bonis) und die Position des
Betroffenen verschlechtert sich
gravierend – nicht nur den Banken,
sondern auch anderen Dienstleistern
gegenüber, die ebenfalls
Zugang zu den relevanten Datenbanken
haben.
Was heißt das für die Bonität?
Christian Vieider: Die Bonität des
Kunden oder der Kundin ist für
längere Zeit beeinträchtigt. Eine
entsprechend eingetragene Person
oder ein betroffenes Unternehmen
kommt kurzfristig schwerer an Kredite,
die Kreditkonditionen können
sich verschlechtern. Die Position als
„schlechter Schuldner“ bleibt 90
Tage aufrecht und kann erst danach
saniert werden.
Was bedeutet diese neue
Verordnung für die Raika Ritten?
Christian Vieider: Diese neue EUVerordnung
wird auch in unserer
Bank zusätzliche Ausfallpositionen
mit sich bringen, die Corona-Krise
tut ihres dazu. Obwohl wir es begrüßen
würden, wird der Vollzug dieser
neuen Verordnung aufgrund der
Pandemie nicht verschoben.
Auch die 12-Monats-Stundungen,
die im vergangenen Jahr zwischen
Land Südtirol und den Banken
ausgehandelt wurden, laufen demnächst
aus. Wie geht es für nicht
zahlungskräftige Kundinnen und
Kunden weiter?
Christian Vieider: Im Frühjahr
müssen einige Unternehmen und
Privatpersonen ihren gestundeten
Verpflichtungen nachkommen. Für
manche wird es herausfordernd. All
jenen, die mit Schwierigkeiten rund
um ihre Zahlungsverpflichtungen
rechnen, rate ich, so schnell wie
möglich das Gespräch mit uns zu suchen,
damit wir an Lösungen arbeiten
können. Es ist wichtig, dass die
Kundinnen und Kunden die neuen
Regeln nicht auf die leichte Schulter
nehmen, zumal das wesentlich härter
bestraft wird als bisher.
Für weitere Informationen hat die Bank ein spezielles Informationsblatt erstellt, das auf
dieser Website (in italienischer Sprache) eingesehen werden kann.
Die vollständigen Leitlinien in Deutsch können auf der
Webseite der EBA abgerufen werden.